Donate local:
Kleider spenden, direkt helfen.
Capsule Wardrobe statt knallvoller Kleiderschrank, Ungetragenes aussortieren statt ungebremst Neues shoppen, – dass „Qualität statt Quantität“ ebenfalls in Sachen Mode gilt und auch hier die Konzentration auf das wesentliche Total befreiend wirkt, wissen wir eigentlich nicht erst seit Marie Kondos japanischem Minimalismus-Ratgeber.
Wer sich selbst etwas Gutes tun möchte, der mistet also aus. Im Idealfall schlägt man dabei zwei Fliegen mit einer Klappe und tut auch anderen etwas Gutes - denn wer kein Geld oder Zeit entbehren kann oder möchte, für den ist es eine ideale Möglichkeit, das zu spenden, wovon die meisten Menschen in Deutschland sowieso zu viel haben: Kleidung. Wir geben dir hier ein paar Tipps und Hintergrundinfos, wie und wo du mit deiner Kleiderspende konkret Hilfe leistest.
Mit dem Gedanken, Kleider zu spenden, bist du nicht alleine: Rund eine Million Tonnen Altkleider werden pro Jahr in Deutschland aussortiert – ein sicherer Indikator dafür, dass die Fast Fashion Industrie nach wie vor ein immenses Problem darstellt und zu viele Kleidungsstücke zu schnell konsumiert, wieder weggegeben und ersetzt werden.
Watch out: böse Container
und unseriöse Sammler:innen.
Wohin also mit deinem alten Lieblingshoodie, der künftig jemand anderen wärmen soll?
Du trittst morgens vor die Haustür und stolperst beinahe über die vermeintliche Antwort auf deine Frage: Plötzlich steht da ein Wäschekorb, versehen mit einer eindringlichen Bitte um deine abgelegten Kleider und Schuhe für Menschen in höchster Not. Praktisch oder? Mitnichten. Diese Haustürsammlungen sind illegal und dienen lediglich der Bereicherung derer, die mit sich dem Verkauf deiner Spenden einige Euros in die eigene Tasche stecken wollen.
Dann lieber auf zum guten alten Altkleidercontainer! Doch auch hier gilt es, genauer hinzusehen – die karitativen Spendencontainer haben in den letzten Jahren scharfe Konkurrenz bekommen. Der Altkleidermarkt ist ein hoch lukratives Geschäft und immer mehr kommerzielle Sammler:innen kämpfen mit höchst unseriösen und zum Teil illegalen Mitteln um jedes Stück Stoff.
Ungenehmigt aufgestellte Container schießen wie Pilze aus dem Boden – auf Grünstreifen, an Bushaltestellen, Supermarktparkplätzen oder Privatgrundstücken. Nicht zuletzt durch die damit einhergehende Vermüllung der Umgebung für die Grundstückseigner:innen ein großes Ärgernis, da die Aufsteller des Containers oft nicht ermittelbar sind und sie so auf eigene Kosten abtransportiert werden müssen.
Doch der eigentliche Skandal ist die Art und Weise, in der dem wohlmeinenden Spender:innen wohltätige Zwecke vorgegaukelt werden: Gemeinnützige Symbole werden kopiert, emotionale Vereinsnamen und Hilfsappelle sowie vermeintliche Aufstellgenehmigungen pflastern den ganzen Container. Als Kontakt angegeben ist lediglich eine Handynummer, unter der man kaum jemanden erreicht. Wird der Container geleert, tritt sein Inhalt eine unüberschaubare Reise an, landet auf einem Förderband eines Sortierbetriebes in einem osteuropäischen Niedriglohnland und wird schließlich rein gewinnorientiert weiterverkauft – die Top-Ware an kommerzielle Secondhandläden, mittlere bis schlechte Qualität nach Afrika. Die genaue Zahl ist nicht zu ermitteln, schätzungsweise ist in Deutschland aber jeder 2. Container illegal aufgestellt. Achte also genau darauf, wo du deine Spende einwirfst!
Charity is confusing:
Wo Kleiderspenden eigentlich landen.
Dein geschultes Auge hat endlich einen Spendencontainer ausgemacht, wo eindeutig ein gemeinnütziger Verband dahinter steht und du dir sicher sein kannst, dass dein Hoodie da ankommt, wo er gebraucht wird? Maybe, maybe not. Um ehrlich zu sein, stehen die Chancen, dass das gute Stück schnellstmöglich einem Bedürftigen Wärme spendet, ziemlich schlecht, wenn du ihn da rein wirfst.
Denn nur etwa 5 % der Containerspenden gehen direkt in Kleiderkammern oder Ausgabestellen der karitativen Einrichtungen, wo sie vor Ort an Bedürftige weitergegeben werden. Auch gemeinnützige Verbände verkaufen etwa 95 % der gespendeten Kleider, um Kosten zu decken und mit dem Überschuss soziale Hilfsprojekte zu finanzieren. Der Weiterverkauf, mit dem Hilfsverbände Sach- zu Geldspenden machen, ist also erst einmal per se nichts Schlechtes, und die Masse der in Deutschland gespendeten Altkleider übersteigt die Zahl der Bedürftigen bei Weitem. An dieser Stelle hilft dein gespendeter Hoodie also - jedoch nicht so direkt und transparent, wie du es dir vielleicht wünschst. Und wo landet er dann eigentlich am Ende?
An einem neuen glücklichen Träger:in landet zumindest die Hälfte der in Deutschland aussortierten Altkleider schon mal nicht. Laut dem Dachverband Fairwertung, einem Zusammenschluss von über 130 gemeinnützigen Textilsammelorganisationen, sind etwa 50 % der Altkleider nicht mehr tragbar. 10 % wandern direkt in den Textil- oder Restmüll, 40 % werden recycelt und als Putzlappen oder Faserdämmstoff (z. B. in der Automobilindustrie) wiederverwendet. Das ist ein enormer Anteil an nicht tragbarer Kleidung, – zurückzuführen auf die schlechte Qualität der Fast Fashion, die in Massen konsumiert und nach kurzem Tragen über den Altkleidercontainer „entsorgt“ wird.
Weitere 15 % der karitativen Spenden, nämlich der Teil von sehr guter bis guter Qualität, wird entweder weiterverkauft nach Osteuropa, wo sehr gute Preise für Markenware erzielt werden; oder er landet hier in Deutschland im nächsten kommerziellen Secondhand Shop. Am Ende kommt dann dein abgelegter Lieblingshoodie nicht etwa einem Obdachlosen zugute, sondern wird von einem:einer wohlsituierten Vintage-Liebhaber:in aufgetragen.
Out of Africa: Das Ziel der Altkleider.
Etwa 30 % der Altkleiderspenden sind noch tragbar, aber von mittlerer bis geringer Qualität. Diese gehen als Secondhand-Ware nach Südamerika oder Afrika. Bereits vor einigen Jahren berichtete der NDR in seiner Reportage „Die Altkleider-Lüge“, dass ein Großteil der Containerspenden des Deutschen Roten Kreuzes nach Afrika weiterverkauft werden – ein Thema, das nach wie vor in all seinen Einflüssen auf die Abnehmerländer und seinen komplexen globalen wirtschaftlichen Zusammenhängen kontrovers diskutiert wird. In vielen afrikanischen Städten gibt es riesige Altkleider-Märkte, deutsche Secondhand-Ware ist aufgrund der vergleichsweise guten Qualität sehr beliebt und ermöglicht auch Einkommensschwachen Zugang zu modischer Kleidung.
„Dead white men’s clothes“, so nannten viele Afrikaner:innen die Altkleider anfänglich, da sich niemand vorstellen konnte, dass jemand derart gute Kleidung ohne triftigen Grund abgibt. Das, was an Neuware auf dem Markt ist, kommt in der Regel aus Asien ist von schlechter Qualität unter fragwürdigen Bedingungen produziert und aus Kunstfasern daher klimatisch ungeeignet. Die afrikanische Textilindustrie, die bis in die 70er-Jahre noch florierte, ist heute kaum mehr existent, da sie aufgrund der mangelnden Infrastruktur und Kaufkraft nicht gegen die Preise der Secondhand- und Asien-Importe konkurrieren konnte. Industrielle Arbeitsplätze fielen weg und sind auf dem Secondhand-Markt neu entstanden, – wenn zum Beispiel europäische XXL-Größen für die afrikanische Statur geändert werden müssen.
Viele Afrikaner:innen sind dankbar für die Möglichkeiten, die Altkleider aus Europa und Amerika bieten, – wenn auch nicht alle daran teilhaben können, denn letzten Endes ist der Markt fremdbestimmt durch ausländische Groß- und Zwischenhändler:innen, die an den gut gemeinten Spenden oft ein Vielfaches mehr verdienen als die Hilfsverbände, die sie einst weiterverkauft haben. Und so werden auch bei den Endverkäufer:innen auf dem afrikanischen Altkleidermarkt Preise veranschlagt, die sich die Ärmsten der Armen nicht mehr leisten können.
Um die eigene Wirtschaft wieder zu stärken, erwägen einige afrikanische Regierungsleitung 2019 sogar ein Importverbot oder massive Zollerhöhungen – eine Maßnahme, die vermutlich nur dem Schwarzmarkt und den asiatischen Neuwarenhändler:innen zugutekäme. Denn da, wo die afrikanische Textilindustrie wieder Aufwind bekommt, entsteht dieser durch ausländische Investor:innen, die schamlos die Billiglohnstruktur und mangelnde Arbeitsschutzbestimmungen des Landes nutzen. Ein Dilemma.
Wear sustainable:
Mach mehr aus deiner Kleidung.
Was bleibt, ist die Grundsatzfrage, ob wir Kleidung, die unter Aufwendung wertvoller Ressourcen produziert wurde und die eigentlich noch tragbar ist, wirklich so schnell wieder entsorgen müssen? Achte schon beim Kauf auf Nachhaltigkeit und ethische Herkunft, kaufe weniger und dafür bewusster, repariere Liebgewonnenes, nutze Kleidertauschbörsen und Flohmärkte, lass deiner Kreativität beim Upcyceln freien Lauf. Und spende nur das, was gut erhalten ist und du nicht mehr brauchst.
Support your Locals:
Kleiderspenden vor Ort.
Zurück also zu deinem Hoodie, der immer noch sinnvoll gespendet werden will: Bring ihn einfach in die nächste Kleiderkammer oder Notunterkunft bei dir um die Ecke. Gemeinnützige Hilfsverbände sortieren die vor Ort abgegebene Kleidung in der Regel selbst mit der Hilfe Ehrenamtlicher oder betreiben soziale Projekte, die Integration und den (Wieder-) Einstieg in die Arbeit fördern. Diese kannst du erleichtern, indem du dich vorab erkundigst, woran Bedarf besteht und du wirklich nur gewaschene und gut erhaltene Kleider spendest. In den lokalen Einrichtungen und Ausgabestellen werden sie dann direkt an Bedürftige weitergegeben. So hat dein Hoodie die optimale Chance, rechtzeitig bei jemandem zu landen, dem er weiterhin gute Dienste leisten wird.
In vielen Einrichtungen kannst du nicht nur Kleidung und Schuhe abgeben, sondern auch Sachspenden wie Zelte oder Schlafsäcke und neuwertige Hygiene- und Bedarfsartikel. Dann lohnt sich der Gang für deine Spende umso mehr! Gute Anlaufstellen für deine lokale Kleiderspende sind Kleiderkammern, Wohlfahrt- und Kirchenverbände, Sozialkaufhäuser, die Bahnhofsmission, Notunterkünfte und regionale Hilfsvereine. Eine Link-Liste hierzu gibt es am Ende dieses Artikels. Eine tolle Hilfe, um lokale Spendeneinrichtungen in deiner Nähe zu finden, bietet außerdem die Plattform www.wohindamit.org.
Damit also nicht nur deinem Gewissen, sondern auch schnell und direkt anderen Menschen geholfen ist, gilt auch beim Spenden: Support your Locals!
Als Hamburger:innen haben wir die großartige Möglichkeit, direkt bei uns um die Ecke ein fantastisches und in seiner Entstehungsgeschichte einmaliges Projekt zu unterstützen: Den Hanseatic Help e.V.
Der gemeinnützige Verein entstand im Herbst 2015, wenige Monate nachdem im Sommer 1200 Geflüchtete aus Syrien nach Hamburg kamen und in den Messehallen eine erste Unterkunft fanden. Unzählige Hamburger:innen kamen, spendeten und sortierten Kleidung, um den Menschen schnell und direkt zu helfen. Heute unterstützt der Verein über 150 lokale Einrichtungen, hilft Geflüchteten, Obdachlosen, Kinderheimen und Frauenhäusern. Er organisiert Hilfslieferungen in Krisengebiete und betreibt Schutz- und Wohnraumprojekte. Ein logistisch inzwischen hochprofessionelles Herzensprojekt, das ohne das Engagement seiner vielen Ehrenamtlichen und Spender:innen nie möglich wäre. Jede:r ist willkommen, jede:r kann helfen, jede Spende kommt an - #einfachmachen ist die Devise.
Eine Haltung, die wir teilen und gerne unterstützen. Viele unserer Schmuckstücke, die über unsere regulären Verkaufskanäle keine neue Besitzer:innen gefunden haben, spenden wir deshalb bedarfsgerecht an den Hanseatic Help e. V. und so helfen unsere Hoodies, für möglichst viele Bedürftige den Wunsch nach Wärme zu erfüllen.