Greener Cities Issue #003 | Der Grüne Knopf
Darum bleibt recolution knopflos.
Im Juli diskutierte unser Co-Founder Jan auf der Fair Fashion Messe NEONYT in Berlin erstmals öffentlich zum Thema „Der Grüne Knopf“ - mit Anosha Wahidi, der Referatsleiterin für Nachhaltigkeitsstandards im Bundesentwicklungsministerium. Es war wichtig für uns, zu diesem Thema Stellung zu beziehen und wir waren froh, dies an höherer Stelle tun zu können.
Seither hat das Thema in Deutschland massiv an Aufmerksamkeit gewonnen. Am 09. September 2019 stellte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das neue Textilsiegel in Berlin vor. Als neues Meta-Siegel umfasst es vorhandene Zertifikate, soll Transparenz schaffen und nachhaltig produzierte Kleidung eindeutig kennzeichnen. Dabei werden Unternehmenskriterien festgelegt und die Textilien von unabhängigen Stellen wie dem TÜV auf 26 Sozial- und Umweltstandards geprüft. Einige nachhaltige Brands lassen sich bereits zertifizieren, zudem Konzerne wie Tchibo, Lidl, Aldi und Otto.
Ein Blick zurück: Wir machen seit 10 Jahren nachhaltige und faire Streetwear. Es ist ein großer Schritt getan, auf Bundesebene die Wichtigkeit des Themas in den Focus zu stellen und ein klares Leitsystem zu schaffen. Wir als Fair Fashion Pionier:innen sehen genauer hin und fühlen uns in der Verantwortung, derartige Initiativen kritisch zu hinterfragen.
recolution Styles tragen das GOTS Siegel - wir sind die Nummer 63 der weltweit GOTS zertifizierten Unternehmen. Der internationale Global Organic Textile Standard ist der führende Standard für Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern, er garantiert eine in sozial und ökologisch nachhaltige Produktion. In unserem Greener Cities Blog erfährst du mehr über die GOTS-Kriterien von Anbau bis Verpackung.
Im Vergleich zu GOTS weist Der Grüne Knopf klare Mängel auf. recolution Co-Founder Jan wurde dazu als Experte von Spiegel und Handelsblatt interviewt und hat unsere Position deutlich gemacht:
Würde sich recolution vom ,Grünen Knopf‘ zertifizieren lassen?„Zum heutigen Stand des Siegels: Nein.“
Jan, Co-Founder recolution
Dabei sind es nicht die zu erfüllenden Kriterien, die recolution von der Zertifizierung abhalten - oder eben doch. Mensch und Umwelt, die beiden Bereiche, die ein nachhaltiges Siegel abbilden soll, sehen wir durch den Grünen Kopf bislang unzureichend geschützt.
Warum?
Bis 2021 ist das Siegel in der Pilotphase, später sollen Kriterien nachgebessert werden. Bis dahin werden nur Teile der Produktionskette des Herstellers kontrolliert. Die Faserebene wird nicht berücksichtigt. Aktuell zugelassen sind Viskosefasern und PFC basierte Imprägnierungen, die einen stark schädigenden Einfluss auf die Umwelt haben.
Auch bei den Sozialkriterien gibt es gravierende Lücken. „Made in Europe“ gilt automatisch als „fair produziert“. Hier finden keine umwelttechnischen Kontrollen statt. Die kritischen Arbeitsbedingungen in Ländern wie Bulgarien und Rumänien oder die mangelnde Existenzsicherung durch den vom Siegel anerkannten Mindestlohn bleiben unberücksichtigt.
„Der Grüne Knopf ist nach heutigem Stand eine Einladung zum Greenwashing. “
Jan, Co-Founder recolution
Als Eco Label investieren wir eine Menge in Transparenz und Glaubwürdigkeit, teamseitig und finanziell. Der Grüne Knopf untergräbt diese Glaubwürdigkeit und verwässert die öffentliche Wahrnehmung: Unternehmen, die in ihrem Kern nicht nachhaltig sind, schmücken ihre Textilien mit dem Siegel und setzen sie damit denen grüner Brands gleich, die einen enormen Aufwand für die ökologische Qualität und Sozialverträglichkeit ihrer Produkte betreiben.
Der Handelsverband Deutschland beanstandet die Kriterien als zu streng und den Grünen Knopf als nicht massenmarkttauglich, da viele Unternehmen die Kontrollen ihrer Produktionskette nicht leisten könnten. Wir sehen hier nicht mangelndes Können, sondern fehlenden Willen, die prekäre Situation in der Textilindustrie zu verbessern. Umso mehr braucht es ein verbindliches staatliches Siegel.
„In Zeiten von Fridays For Future sollten sich alle Unternehmen ernsthaft die Frage stellen, ob der Raubbau an Mensch und Natur und Profitmaximierung als einzige Philosophie noch Zukunft haben.“
Jan, Co-Founder recolution
„ Better done than perfect – wenn es um Menschen und unsere Umwelt geht, halte ich das aber für den falschen Weg.“
Jan, Co-Founder recolution
Unser Fazit:
Der Grundgedanke ist gut. Ziel muss es sein, ein staatliches Siegel mit hohem Standard zu etablieren, das für Verbraucher:innen transparent und absolut vertrauenswürdig ist. Ähnlich dem Fairtrade Siegel für Lebensmittel. Ein starkes Siegel fördert die nachhaltige Entwicklung der Textilindustrie. Ein schwaches Siegel, wie es aktuell vorliegt, ist Kundentäuschung und bedeutet einen Werteverlust in der Wahrnehmung von Fair Fashion Brands.
Bei Nachhaltigkeit geht es nicht um Perfektionismus. Schon Kleinigkeiten im Alltag können etwas bewegen. Hier stellt sich aber die Frage, ob ein unfertiger Kriterienkatalog der Anspruch eines staatlichen Siegels sein kann. Mit dem nicht zu Ende gedachten Grünen Knopf wurde die Chance vertan, aus nachhaltiger Mode wirklich Mainstream zu machen.
Auch andere Eco Labels sehen den Grünen Knopf kritisch und lassen sich zum jetzigen Stand nicht zertifizieren. Bei aller Kritik ist dennoch einiges gewonnen: Eine politische Basis ist geschaffen und durch die sogenannten Nachhaltigkeitsinitiativen der Konzerne erreicht das Thema die breite Masse. Dank der Kontroverse um das Siegel setzen sich immer mehr Menschen damit auseinander. Als Meinungsführer:innen möchten wir für die Diskussion mehr Öffentlichkeit schaffen und die Verantwortlichen in Politik und Industrie sensibilisieren, dass noch einiges getan werden muss. Wir wollen Teil der Lösung sein und zur Entwicklung eines starken Siegels beitragen, das Verbraucher:innen eine nachhaltige Kaufentscheidung ermöglicht und Unternehmen in die Pflicht nimmt.